Was bedeutet das BGH-Urteil über Beitragserhöhungen einer PKV?

März 2021

Ende 2018 hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen eines PKV-Unternehmens befasst. Konkret beschäftigte sich das Gericht mit der Unabhängigkeit der Treuhänder in der PKV. Viele Medien hatten vorab über den Streit berichtet und zum Teil hohe Rückzahlungen für Versicherte in Aussicht gestellt.

Darum ging es vor Gericht: Ein Versicherter hielt die Beitragserhöhungen seines PKV-Unternehmens für die Jahre 2012 und 2013 für unwirksam. Und zwar aus einem rein formalen Grund: Der mit der Prüfung der Beitragserhöhung beauftragte Treuhänder habe schon viele Jahre lang die Beitragskalkulation des Versicherers geprüft und ein hohes Einkommen daraus erzielt. Aus diesem Grund sei er nicht unabhängig gewesen. Damit seien die von ihm genehmigten Beitragserhöhungen des PKV-Unternehmens unzulässig.

Diese Rechtsauffassung hat der Bundesgerichtshof klar zurückgewiesen. Und zwar ebenfalls aus formalen Gründen: Die Prüfung der Unabhängigkeit eines Treuhänders falle ausschließlich in die Zuständigkeit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), also der für die PKV zuständigen Aufsichtsbehörde. Es sei nicht Aufgabe der Zivilgerichte, das erneut zu überprüfen. Jeder Versicherte könne zivilrechtlich prüfen lassen, ob Beitragsänderungen entsprechend den Vorschriften erfolgt sind. Damit sei den Interessen der Verbraucher ausreichend Genüge getan.

Dieses Urteil ist sachlogisch. Könnten Beitragserhöhungen aus formalen Gründen für nichtig erklärt werden, auch wenn sie aufgrund gestiegener Kosten erforderlich sind, müssten sie letzten Endes ohnehin von der Versichertengemeinschaft nachfinanziert.

Welche Rolle spielt der Treuhänder in der PKV?

Der Treuhänder entscheidet letztlich darüber, ob eine private Krankenversicherung die Beiträge für einzelne Versichertengruppen ändern darf. Nach den gesetzlichen Vorschriften überprüfen die Versicherungen jährlich ihre Kalkulationen und die Leistungen an die Versicherten. (Hier können Sie sich genauer informieren, wie Beitragsanpassungen in der PKV funktionieren.) Anschließend müssen sie sämtliche Berechnungsgrundlagen für die Beitragskalkulation samt den dafür nötigen Herleitungen und Statistiken an den Treuhänder übersenden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Beitragsänderung vorliegen oder nicht.

Der Treuhänder prüft anhand der Unterlagen, ob eine Beitragsanpassung notwendig ist und wenn ja, in welcher Höhe. Versagt er seine Zustimmung, darf das PKV-Unternehmen seine Prämien nicht ändern. Lehnt im Gegenzug das Unternehmen eine Beitragserhöhung oder -senkung ab, die der Treuhänder für notwendig hält, ist er verpflichtet, die Aufsichtsbehörde (BaFin) zu informieren.

Welche Voraussetzungen müssen Treuhänder erfüllen?

Für den Treuhänder gelten die Vorschriften des § 157 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG). Danach muss der Treuhänder

  • zuverlässig
  • fachlich geeignet und
  • unabhängig sein.

Genauer bedeutet dies: Treuhänder können nur sehr erfahrene Versicherungsmathematiker werden, die verantwortungs- und pflichtbewusst handeln. Sie müssen sich fachlich auf Augenhöhe mit dem Verantwortlichen Aktuar des Versicherungsunternehmens auseinandersetzen können.

Für die Unabhängigkeit des Treuhänders ist insbesondere wichtig, dass er

  • nicht noch in anderer Funktion für das Versicherungsunternehmen tätig ist
  • nicht selbst bei dem Unternehmen versichert ist
  • keine Anteile der jeweiligen Versicherungs-AG besitzt.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist für die Zulassung und Überprüfung der Treuhänder zuständig. Ohne ihre Zustimmung kann kein Versicherungsunternehmen einen Treuhänder bestellen.

Zu welchem Urteil kam der Bundesgerichtshof genau?

Das Landgericht Potsdam hatte vorab zugunsten des Klägers entschieden. Der BGH hob als höchste zivilgerichtliche Instanz das Urteil des Landgerichts nun auf und erläuterte:

  • Die Prüfung der Unabhängigkeit eines Treuhänders erfolgt abschließend durch die BaFin. Gerichte sind nicht dafür zuständig, die Unabhängigkeit des Treuhänders zu prüfen.
  • Selbst wenn ein Treuhänder vom Versicherungsunternehmen abhängig sein sollte, sagt dies nichts über die Wirksamkeit der Beitragsänderungen aus.
  • Beitragsänderungen sind nur unwirksam, wenn sie nicht entsprechend den Vorschriften erfolgt sind. Dies wiederum können Gerichte prüfen.

Das Landgericht Potsdam muss den Fall nun noch einmal neu verhandeln und prüfen, ob der Treuhänder seine Aufgabe zuverlässig (d.h. inhaltlich korrekt) erfüllt hat.

Was folgt aus dem Gerichtsverfahren zur Unabhängigkeit der Treuhänder?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs bestätigt: Das seit 25 Jahren etablierte Verfahren zur Treuhänder-Bestellung nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz ist rechtskonform. Die Private Krankenversicherung hält damit die geltenden Regeln ein.

Dass es dieses und weitere Gerichtsverfahren zur Wirksamkeit von Beitragsanpassungen überhaupt gibt, zeigt aber, dass eine Modernisierung der starren Vorschriften sinnvoll wäre.

Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Im Interesse der Versicherten könnte er die Regeln zur Beitragskalkulation verbraucherfreundlicher gestalten. Dazu gehört beispielsweise, dass Beitragsanpassungen verstetigt werden sollten und besser in kleineren als in seltenen großen Sprüngen erfolgen sollten. Damit würde verhindert, dass nach Jahren der Stabilität ggf. umso größere Beitragserhöhungen folgen.